
Jugendpflege in der Gemeinde Diekholzen
Die Verwaltung der Gemeinde möchte in der Gemeinderatssitzung am 15. September 2025 über eine Stelle zur Jugendpflege beschließen lassen. CDU-Fraktion begrüßt in der Gemeinderatssitzung das Ansinnen der Verwaltung, in diesem Feld Aktivität zu entwickeln, bemängelt jedoch unzureichende Informationen zur Ableitung eines tatsächlichen Bedarfes und fehlende Alternativen bzw. Ausprägungen. Aus und insbesondere angesichts der Haushaltslage hält sie die Vorlage der Verwaltung für „zu dünn“. Sie hat daher einen Antrag auf Verschiebung des Tagesordnungspunktes und zur Vorlage einer angemessenen Entscheidungsgrundlage gestellt.
Der Antrag
Die CDU-Fraktion begrüßt ausdrücklich das Ansinnen der Verwaltung, für die Jugendarbeit in der Gemeinde erforderliche Perspektiven/Lösungen/Maßnahmen zu entwickeln.
Gleichzeitig sehen wir uns als Ratsmitglieder in der Verantwortung, die finanzielle Situation der Gemeinde im Blick zu haben. Einen besonderen Anlass dazu gibt die aktuelle Haushaltslage, die im Finanzausschuss erörtert wurde und in einem separaten Tagesordnungspunkt dieser Ratssitzung behandelt wird. Deshalb müssen Entscheidungsvorschläge mit relevanten finanziellen Auswirkungen daraufhin untersucht werden, ob sie in der vorgeschlagenen Form unumgänglich, wünschenswert oder gar entbehrlich sind. Dazu gehört auch das Abwägen, ob Vorschläge ihrem Zweck und Ziel entsprechend in Form und Inhalt abwandelbar sind.
Vor diesem Hintergrund greift die Vorlage der Verwaltung zu kurz. Sie reißt einzelne Sachverhalte lediglich an, beschreibt dann als alleinige Lösung die Schaffung einer Stelle eines Jugendpflegers/einer Jugendpflegerin und legt diese Lösung zur Entscheidung vor.
Die Vorlage und der Beschlussvorschlag werden damit der Komplexität der Herausforderung der Sache selbst – insbesondere vor dem Hintergrund der angespannten Finanzsituation – in keiner Weise gerecht. Sie sind nicht geeignet, den zu fassenden Beschluss in seiner vorliegenden Form hinreichend abzuleiten und nachzuvollziehen.
Zur Begründung:
Es wird pauschal von einem „zunehmenden Bedarf an niedrigschwelligen, pädagogisch begleiteten Angeboten für Kinder und Jugendliche“ gesprochen. Diese pauschale Aussage wird durch nichts belegt.
Als Beispiele werden lediglich angeführt, Jugendliche hätten sich unerlaubt „auf dem Gelände der stillgelegten Lungenklinik (Bahnberg) aufgehalten“ und Jugendliche würden „häufiger auch auf dem Schulgelände angetroffen, teilweise im Zusammenhang mit nachträglich festgestellten Schmierereien.“ Diese Vorfälle wiesen „auf einen Bedarf an verstärkter präventiver Jugendarbeit und pädagogischer Präsenz im öffentlichen Raum hin“.
Kann das ernst gemeint sein? Geht die Verwaltung wirklich davon aus, dass eine „9-to-5-Stelle“ an dieser Stelle die Lösung ist und die Problematiken in der „normalen Dienstzeit“ mit den Kindern/Jugendlichen gelöst werden können?
Zudem: Die Arbeit der Vereine und Verbände unserer Gemeinde (z.B. Sportvereine, Pfadfinder, Feuerwehren und Musikvereine sowie kirchliche Aktivitäten) für Kinder und Jugendliche wird an keiner Stelle gewürdigt. Im Gegenteil: Es wird ausgeführt, dass die Vorfälle (Jugendliche auf dem Bahnberg und auf dem Schulgelände) „einen Mangel an…sinnvollen Freizeitangeboten“ zeigten. Diese Aussage ist ein Schlag ins Gesicht unserer Vereine.
Offensichtlich soll der Bedarf an offener Jugendarbeit adressiert werden. Der existiert an dieser Stelle aber lediglich als These und ist an keiner Stelle fundiert abgeleitet.
Zur Ableitung und Bewertung eines solchen Bedarfes braucht es nämlich mindestens konkrete Fakten. Beispiele:
- Wie viele Kinder und Jugendliche leben in der Gemeinde Diekholzen und in den jeweiligen Ortsteilen.
- Wie ist die aktuelle Altersstruktur dieser Kinder und Jugendlichen – wie sieht die Struktur voraussichtlich in fünf oder 10 Jahren aus?
- Wie viele Kinder und Jugendliche nutzen (in den jeweiligen Altersstufen) Stand heute Angebote der Vereine und Verbände?
- In welchen Ortsteilen gab und gibt es Probleme mit Kindern und Jugendlichen im öffentlichen Raum – wie äußern sich diese Probleme (konkret und nicht allgemein)?
- Gibt es konkrete Bedürfnisse solch betroffener Kinder und Jugendlicher – wann und wo wurden diese Bedürfnisse geäußert / dokumentiert?
In einem weiteren Absatz der Beschlussvorlage wird der geltende Rechtsanspruch auf ganztägige Betreuung für Grundschulkinder angeführt, für dessen Umsetzung die Zuständigkeit zwar beim Landkreis liege, aktuell allerdings Gespräche „über eine mögliche Aufgabenübertragung – insbesondere im Bereich der Koordination vor Ort“ stattfänden. In diesem Zusammenhang sei „eine Kostenbeteiligung des Landkreises an den dabei entstehenden Personal- und Sachkosten … grundsätzlich in Aussicht gestellt“. Zusätzlich seien erhebliche konzeptionelle organisatorische und kommunikative Anforderungen an die Kommune gestellt, insbesondere an die Abstimmung zwischen den jeweils Beteiligten.
Konkrete Schätzungen zu Kapazitätsbedarfen oder finanzielle Auswirkungen werden dafür nicht dargestellt.
Ungeachtet dessen wird vorgeschlagen, eine Stelle zur Jugendpflege einzurichten und diese möglichst zum 01.01.2026 zu besetzen.
Nachdem schon die Ableitung des eigentlichen Bedarfs unzureichend dargestellt ist, erfolgt auch keinerlei Darstellung bzw. Differenzierung möglicher Lösungsalternativen, geschweige denn eine sachliche Abwägung.
Solche Alternativen / Ausprägungen wären (beispielhaft und ggf. in Kombination von Alternativen):
- „Teilen“ einer entsprechenden Stelle mit einer anderen Kommune.
- Schaffung einer Stelle lediglich mit den nachvollziehbar ermittelten Gesamtkapazitäten statt von vorne herein mit 100% Kapazität.
- Schaffung einer befristeten Stelle.
- Einmaliges Erarbeiten eines Grundkonzeptes zur Kinder- und Jugendpflege z.B. durch Fachkräfte anderer (benachbarter) Kommunen und Vergütung einer solchen Arbeit.
- Schaffung unterschiedlicher Stellen mit unterschiedlichen Anforderungen an den / die Stelleninhaber/in: Es ist durchaus vorstellbar, dass eine Jugendpflege im öffentlichen Raum mit entsprechender konzeptioneller Arbeit andere Anforderungen (z. B. Kinder- und jugendpädagogische Ausbildung) an mögliche Bewerber/innen stellt als eine Koordination der Beteiligten im Umfeld von Ganztagsschulen. Letzteres scheint zumindest zum Großteil auch im Rahmen einer „normalen“ Verwaltungstätigkeit möglich.
Nach mündlich erteilten Informationen ist bei Schaffung und Besetzung der vorgeschlagenen Stelle mit reinen Personalkosten von mehr als 70 TEUR p.a. zu rechnen. Dazu kämen nicht genannte Sach- und Nebenkosten (z.B. für Büro und technische Ausstattung, ggf. Dienstwagen).
Allein die reinen Personalkosten beliefen sich nach 10 Jahren auf fast eine dreiviertel Millionen Euro! Angesichts der katastrophalen Haushaltsbildes, auch mit Blick in die Folgejahre, scheint es uns unverantwortlich, eine solche Entscheidung auf derart dünner – quasi nicht vorhandener – Faktenlage und ohne die Bewertung möglicher Ausprägungen bzw. Alternativen zu treffen.
Eine für den Sitzungstag avisierte allgemeine Information des Rates über Kinder- und Jugendpflegearbeit kann nicht wenige Minuten vor der erwarteten Entscheidung erfolgen. Sie hätte längst, und zwar bereits vor der Sitzung des zuständigen Fachausschusses, erfolgen müssen.
Der Rat muss in Wahrnehmung seiner Verantwortung für die Bürgerinnen und Bürger unserer Gemeinde in der Lage sein und darf auch den Anspruch haben, Entscheidungen dieser Tragweite auf angemessenen Grundlagen treffen zu können. Das ist vorliegend nicht gegeben.
Die CDU-Fraktion beantragt daher:
- Der Tagesordnungspunkt für die „Einrichtung einer Stelle für die Jugendpflege mit Schwerpunkt…“ wird auf die nächste Ratssitzung verschoben.
- Die Verwaltung wird gebeten, für die Entscheidung fachlich fundierte Grundlagen und Entscheidungsalternativen (inkl. einer Aussage zu den Kostenübernahme des Landkreises für die Koordinationsaufgaben in Sachen Ganztagsschule) darzustellen und aus ihrer Sicht sachlich zu bewerten. Die monetären Auswirkungen mindestens auf die nächsten fünf Haushaltsjahre sind dabei darzustellen.
Hinweis:
Für den Fall, dass die Verwaltung eine Entscheidung im Dezember als zu spät beurteilen sollte, schlägt die CDU-Fraktion vor, die Angelegenheit in einer früheren Sondersitzung des Rates zu behandeln.
Mit freundlichen Grüßen
Martin Völkel
Vorsitzender der CDU-Fraktion im Gemeinderat Diekholzen